Für Kinder in den ersten drei Lebensjahren ist das Lernen über Wahrnehmung und Bewegung ein ganz elementares Bedürfnis. Darüber hinaus sind es die wesentlichen Erfahrungsbereiche, mit denen die Kinder „spielend“ ihre Umwelt kennen und verstehen lernen. So entwickeln unsere Kinder ein Bild über die Welt und über sich selbst in ihr.
Auch wenn wir im Folgenden die Bildungsbereiche Wahrnehmung und Bewegung getrennt aufführen, sind sie doch untrennbar miteinander vereint. Bewegen, Fühlen und Denken kön-nen bei unseren Kindern nicht isoliert betrachtet werden.
Wahrnehmung
Als Wahrnehmung wird das Aufnehmen und Verarbeiten von Reizen und Informationen aus der Umwelt über den eigenen Körper bezeichnet.
Die Kinder kommen schon mit einer Grundausstattung an Wahrnehmungen wie Fühlen, Rie-chen, Schmecken, Hören und Sehen und „sich Bewegen“ auf die Welt. Von Geburt an sind sie „kleine Forscher“, die zunächst überwiegend mit dem Mund, dann mit den Händen, aber auch mit den Füßen und dem ganzen Körper „begreifen“. Sie gelangen dadurch vom „Er-Greifen“ zum „Be-Greifen“ und ihre Erfahrungen werden zu Erkenntnissen. Sie benötigen gut ausgebildete Sinne, die sie befähigen, die Umwelt wach und bewusst wahrzunehmen. Dafür müssen alle Sinne ständig und vielseitig „in Aktion“ sein, damit sie immer besser zusammenarbeiten und verbessert werden. Die sinnliche Wahrnehmung bleibt ein ganzes Leben lang von Bedeutung, aber sie ist gerade in den ersten Lebensjahren sehr wichtig, denn durch die Sinnesreize wird die Entwicklung des Gehirns unterstützt.
Für die Kinder ist es dabei auch wichtig zu lernen, bedeutsame von unbedeutenden Informationen zu unterscheiden und die Aufmerksamkeit ganz auf eine Informationsquelle ruhen zu lassen. So lernen Kinder, sich zu konzentrieren. Wenn sie zum Beispiel bei einem hohen Geräuschpegel im Gruppenraum der Stimme der ErzieherIn, die gerade ein Bilderbuch mit ihnen betrachtet, folgen und sich nicht ablenken lassen, ist das ein Anzeichen dafür, dass sie aus der Flut von Reizen gewählt haben und nun dem Reiz der einen Stimme weiter folgen.
Unsere kleinen Forscher suchen oft selbst nach sinnlichen Erfahrungen. So finden sich bereits im Alltag zahlreiche Möglichkeiten, die die Sinne der Kinder anregen. Dies sind zum Beispiel der Wasserstrahl aus dem Wasserhahn beim Händewaschen, der Seifenschaum, der sich im Waschbecken bildet oder auch das lustvolle Essen mit den Händen.
Aber nicht immer reicht der Alltag aus und so möchten wir ihre Kompetenzen wie Neugierde, Lust, Forschungsdrang, Lernfreude und Mut herausfordern und kindliche Sinneswahrnehmungen mit wohlüberlegten und altersentsprechenden Angeboten anregen.
Das bedeutet für unseren Alltag und unser Handeln:
- Die Räume sind so gestaltet, dass sie vielfältige Sinnesanreize bieten, z.B. Hochebene im Gruppenraum, schiefe Ebenen, verschiedene Bodenbeläge.
- Das Spielmaterial ist so gewählt, dass es ebenfalls viele Sinne anspricht und die Kinder viel ausprobieren und forschen können, z.B. Fühlsäckchen, verschiedene Bälle, Bürsten und Tücher.
- Kinder mit dem Mund erforschen lassen (Am empfindsamsten ist zunächst die Zungenspitze. Erst mit 18 Monaten werden feine Unterschiede an Gegenständen mit den Händen genauso gut wahrgenommen).
- Angebote mit Kleister, Rasierschaum, Creme, Seife und Fingerfarben
- Kneten mit Ton oder Knetgummi
- Kreis-, Sing-, und Bewegungsspiele
- Gemütliche Orte für den Rückzug und zum Kuscheln
- Bereitstellen verschiedener Naturmaterialien zum Erforschen, Umfüllen und „Baden“, je nach Jahreszeit z.B. Bälle, Kastanien, Stroh, Heu oder Blätter
- Angebote mit Matratzen bzw. Untergründe mit verschiedenen Härtegraden
- Angebote mit dem Trichterkreisel, Wippe, Hockern, großen Schaumstoffwürfeln
- Möglichkeit zum vertikalen und rotierenden Schaukeln in der Hängematte
- Matschstunden mit Wasser und Sand
- Einbuddeln der Füße und Hände im Sand
- Barfußlaufen im Sommer in der Kita, in der Turnhalle und auch auf dem Spielplatz
- Klettergerüst auf dem Spielplatz
- Die Kinder werden motiviert, verschiedene Obst- und Gemüsesorten zu probieren, und machen so die unterschiedlichsten Geschmackserfahrungen
- Pflanzen von Blumen im Frühjahr und Wahrnehmung der unterschiedlichen Düfte
- Geh-, Balance- und Kletterversuche werden positiv verstärkt, und die Kinder zum Aus-probieren ermuntert.
- „Laufenlerner“ haben im Alltag im geschützten Rahmen die Möglichkeit, ihren Gehversuchen nachzukommen
- Beziehungsvolle Pflege und Zeit beim Wickeln nehmen und kleine Wahrnehmungsspiele einbauen
Wir beobachten die Kinder genau und gehen individuell und rücksichtsvoll auf ihre Reaktio-nen ein. Wenn ein Kind zunächst nicht in der Hängematte schaukeln möchte, respektieren wir dies. Wir nehmen uns Zeit, die Kinder auf ihrer Erkundungsreise sprachlich zu begleiten und damit der Gefühlswelt der Kinder Worte zu geben, z.B. ob Dinge sich hart oder weich, glatt oder rau anfühlen. Wir stellen ausreichend Material zur Erkundung bereit, um alle Sinne anzusprechen, zum Beispiel Ecken und Nischen, in die die Kinder sich zurückziehen können oder Hocker und Bauelemente, die die Kinder selbständig verändern können, so dass immer neue Bewegungslandschaften entstehen. Auch die Hängematte, das Spielen mit Wasser und Sand im Außenbereich und Angebote mit Kleister, Fingerfarben, Creme und Seife sind wichtige Bereiche, die die Sinne der Kinder herausfordern und die zum „lustvollen“ Spiel anregen. Unsere Angebote sollen keine „Lernprogramme“ sein, sondern es geht uns darum, dass die Kinder erfahren, dass es schön und spannend ist zu fühlen, zu schaukeln, zu springen, zu drehen, zu schmecken u.a..So entwickeln sie langsam ein Bild von sich und ihrer Umgebung und lernen jeden Tag viel Neues hinzu.