Die goldenen Regeln der Eingewöhnung (Der Eingewöhnungsbrief)
Liebe Mama, Lieber Papa,
in meiner ersten Kitazeit helft ihr mir am meisten, wenn ihr mir zu erzählt, was mich alles erwartet. Es ist wichtig, dass ihr selbst überzeugt seid, dass ein Krippenbesuch gut für mich ist. Es beruhigt mich am Anfang, wenn ich weiß, dass ihr in dieser Zeit bei mir bleibt. Ich will alleine entscheiden, wann und mit wem ich spielen möchte. Vielleicht brauche ich erstmal Zeit, um die anderen Kinder zu beobachten und um mich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Wenn ihr weg-geht, seid ehrlich zu mir: eine genaue Absprache ist besser, als falsche Hoffnung zu wecken. Auch wenn ich weine, verabschiedet euch bitte kurz von mir- ich werde ganz bestimmt getröstet. Wenn ihr beunruhigt seid, ruft doch einfach nach 10 min in der Kita (0251/2075192); wahrscheinlich spiele ich dann schon längst. Wenn es mir schlecht geht, rufen euch meiner Erzieherinnen an. Damit ich mich gut eingewöhnen kann, ist es wichtig, dass ich regelmäßig in die Krippe gehe. Durch Unterbrechungen- besonders in der ersten Zeit- muss ich immer wieder von vorne anfangen mich einzugewöhnen. Seid bitte so lieb und lasst mich nach der Eingewöhnung, die ersten Wochen nicht gleich den ganzen Tag in der Krippe. Auch für mich ist es anstrengend und ich möchte mich langsam daran gewöhnen können. Wenn ich mich in der Krippe wohlfühle und weiterspielen möchte, heißt das, dass ich einen Schritt ins Leben gemacht habe, aber keinen Schritt von euch weg. Ich habe euch genauso lieb wie vorher. Bitte holt mich beim Abholen sofort ab. Dadurch lerne ich, dass die Kita für mich zu ende ist. Später, wenn ich mich richtig eingewöhnt habe, können wir gerne etwas da zusammen spielen.
Schritt für Schritt in die Kita
Diese Erkenntnisse bestimmen die Eingewöhnungsphase der Kinder. Wir arbeiten angelehnt an das Berliner Modell und Münchener Modell. Es wird schrittweise und gemeinsam mit den Eltern eingewöhnt. Das Tempo der Eingewöhnung hängt vom jeweiligen Kind ab.
Zunächst erkunden die Mädchen und Jungen gemeinsam mit Mama und Papa stundenweise die neue Umgebung. Begleitet werden sie dabei von der für die Familie zuständige Erzieherin. Wir sind während der gesamten Eingewöhnungsphase für das Kind da, um eine vertrauensvolle und verlässliche Beziehung aufzubauen.
Gelingt die Eingewöhnung, hat das im Übrigen auch Einfluss auf spätere Übergänge. Kinder, die einen guten Start in die Kita erleben, bewältigen oft auch den Schulanfang ohne größere Probleme. Dies passiert dadurch, dass Menschen von klein auf – bewusst oder unbewusst – ihre emotionalen Erfahrungen in Phasen des Übergangs speichern. So können auch Ängste bei späteren Übergängen erinnert werden. Fühlte sich das Kind hingegen sicher beim neugierigen Erkunden der fremden Lebenswelt, wird dies auch später zuversichtlich einem Neubeginn entgegen sehen.
Störungen vorbeugen
Doch nicht immer läuft alles glatt in der Eingewöhnungsphase. Die Kinder brauchen viel Zeit und diese sollte man ihnen immer geben. Eine direkte Rückkehr zum Arbeitsplatz ist mit Geduld versehen. Es kann sein, das man nach 4 Wochen nach dem ersten Kitatag starten kann. Aber es kann auch etwas länger dauern. Daher unsere Bitte: Nehmt euch immer Zeit für die Eingewöhnungszeit.
Die Eingewöhnung erfolgt somit immer in Begleitung eines Elternteils bzw. einer vertrauten Bezugsperson. Sie sind als „fester Hafen“ in den ersten Tagen in der Gruppe anwesend und verhalten sich eher passiv, d.h. sie folgen dem Kind nicht, sind aber immer gut erreichbar und aufmerksam. Die Kinder erforschen in ihrem Tempo und Rhythmus die Kita, sie werden vorerst von ihren Eltern gewickelt und bekommen das Essen von ihnen. Das bietet den MitarbeiterInnen die Möglichkeit, Tipps zubekommen und „Tricks“ und bei den Eltern abzugucken, um es später dem Kind so einfach wie möglich zu machen.
Eingewöhnungsmodelle
Berliner Modell
Wir informieren die Eltern über den Ablauf und deren Rolle in der Eingewöhnung, insbesondere dass deren Anwesenheit dazugehört.
Dreitägige Grundphase, in der ein Elternteil und das Kind ein bis zwei Stunden gemeinsam in der Kita sind. Wichtig: Ein möglichst passives Auftreten der Eltern, damit das Kind Kontakt zu uns aufnehmen kann.
Erster Trennungsversuch am vierten Tag:
Lässt sich das Kind beruhigen, beträgt die Dauer maximal 30 Minuten. Andernfalls kehrt das Elternteil nach zwei bis drei Minuten wieder zurück. In diesem Falle sollte man den Trennungsversuch erst in der zweiten Woche wiederholen. Die Eingewöhnungszeit verlängert sich dementsprechend.
Stabilisierungsphase: Angepasst an das Verhalten des Kindes wird die Trennungsphase von den Eltern verlängert. Akzeptiert es dies nicht, erfolgt der nächste Trennungsversuch zwei bis drei Tage später (möglichst kein Montag). Misslingt dies auch nach drei Wochen, suchen wir mit den Eltern im Gespräch nach Gründen und Lösungen.
Die Eltern sind nicht mehr in der Kita anwesend, aber telefonisch erreichbar. Die Eingewöhnung gilt als abgeschlossen, wenn das Kind uns als „sicherer Basis“ akzeptiert, sich beispielweise trösten lässt.
Münchener Modell
In einer einwöchigen Phase lernen Eltern und Kinder gemeinsam den Kita Alltag und uns kennen. Wir sammeln Informationen über das Kind, um ihm die späterer Trennung zu erleichtern.
Zweite Woche: Das Elternteil bleibt mehrere Stunden in der Kita. Wir gehen aktiv auf das Kind zu und übernehmen Aufgaben, die das Kind zu lässt. Das Elternteil bleibt im Hintergrund und signalisiert dem Kind, das die Aufteilung gut ist.
Vertrauensphase: Das begleitende Elternteil kann sich nach eindeutiger Verabschiedung vom Kind trennen. Lässt sich das Kind schnell beruhigen und nimmt sein Spiel schnell wieder auf, ist diese Phase abgeschlossen. Andernfalls sollte die Mutter oder Valter weitere Tage in der Einrichtung zugegen sein.
Reflexionsphase: Nach einigen Wochen wird im Elterngespräch der Prozess der Eingewöhnung des Kindes besprochen.
Der sichtbare Abschied ist dabei stets wichtig. Nach dem Motto „Kuss und Schluss“ sollten die Eltern nach der Verabschiedung direkt gehen, da die Situation für die Kinder sonst undeutlich wird. Die Eltern sollten in der Anfangszeit der Trennung abrufbereit in der Einrichtung oder in unmittelbarer Nähe sein. Sind die Trennungsphasen schwierig, so werden die Eltern immer gerne auch telefonisch über das weitere Verhalten ihrer Kinder informiert und ggf. auch zurückgeholt, sollte sich das Kind nicht beruhigen lassen.
Häufig zeigen die Kinder beim Verabschieden Trauer über das Weggehen des Elternteils. Dies ist normal und ist als Bindungsverhalten des Kindes zu betrachten. An der Reaktion des Kindes können wir erkennen, ob es für eine längere Trennung noch zu früh ist oder ob die Zeit ohne die Bezugsperson in den nächsten Tagen ausgedehnt werden kann.
Lässt sich ein Kind auch nach minutenlangem Trösten der ErzieherIn nicht beruhigen, ist dies ein Zeichen dafür, dass es noch nicht genügend Sicherheit verspürt und der Kontakt zur Be-zugsperson noch nicht ausreichend ist, um über negative Gefühle hinweg zu helfen. In diesem Falle brechen wir die Trennung ab und intensivieren in den nächsten Tagen erst wieder den Kontakt zum Kind im Beisein der Eltern, um dann nach ein paar Tagen die Trennung erneut zu „üben“.
Jedes Kind benötigt je nach Temperament unterschiedlich viel Zeit und die Eingewöhnungsphase kann von Kind zu Kind sehr unterschiedlich lang dauern – mindestens 1 bis 6 Wochen. Diese Zeit einzuplanen ist, besonders wichtig für die Eltern, die einen Wiedereinstieg in den Beruf planen.
Nach und nach werden in enger Absprache mit den Eltern die in der Einrichtung verbrachten Stunden allmählich gesteigert. In den ersten Wochen der Kita-Zeit werden die Kinder noch nicht bei uns ihren Mittagsschlaf halten, da dieser in unvertrauter Umgebung ohne die üblichen häuslichen Einschlafrituale und –helfer eine weitere anspruchsvolle Herausforderung für die Kinder darstellt.
Nach ca. vier Wochen versuchen wir individuell und im engen Austausch mit den Eltern behutsam und liebevoll den Kindern den Weg in das „Kekki-Träumeland“ zu ebnen. Dabei sind „Trösterlis“ wie ein eigener Schlafsack, Schnuller, Stofftiere für die Kinder oft sehr wichtig. Um auf jedes Kind individuell eingehen zu können, werden die Kinder eins nach dem anderen an die für sie neue Mittagssituation gewöhnt. Dazu nehmen wir uns sehr viel Zeit. Dies wird u.a. auch dadurch ermöglicht, dass in dieser Zeit die BezugserzieherInnen durch KollegInnen von ihren sonstigen Aufgaben entlastet werden.
Bald erfahren die Kinder, dass nach einem Abschied am Morgen selbstverständlich ein Wie-dersehen am Nachmittag folgt. Eine gelungene Eingewöhnung erkennen wir am erweiterten Explorationsverhalten der Kinder. Das Kind erforscht seine Umgebung, weil es gelernt hat, dass die Bezugsperson stets erreichbar ist und auf seine Signale reagiert. Das Kind lernt auch, dass alle anderen Teammitglieder für seine Sicherheit und Geborgenheit sorgen und es bei Bedarf jederzeit zu seiner Bezugsperson zurückgebracht wird.
Unsere „neuen“ Kinder benötigen zu Beginn der Kita-Zeit einen konstanten Rahmen und so legen wir Wert auf einen geregelten und damit vorhersagbaren Tagesablauf. Damit wir sowohl den „Großen Kindern“ (sie sind das zweite Jahr in unserer Einrichtung) als auch den „Kleinen Neuankömmlingen“ gerecht werden, bieten wir viele differenzierte Angebote an, ohne dass sich die Abläufe für die neuen Kinder ganz von dem „normalen“ Alltag unterscheiden. Auf Ausflüge und besondere Aktivitäten (z.B. mit dem Bus zur Turnhalle) müssen wir in der Eingewöhnungszeit verzichten.
Auch nach der Eingewöhnungszeit ist die „Beziehungsarbeit“ ein wesentlicher Schwerpunkt unserer Arbeit. Sie muss jeden Tag aufs Neue gepflegt, gefestigt und bestätigt werden. So erhalten die Kinder eine psychische Stabilität, die sie befähigt, wach – neugierig – klug die Welt zu erforschen.